Réka Juhász, Harald Kluge, Dejan Panjicanin Youtube
1. Korinther 12, 1-13
Nun komme ich zu der Frage nach den Gaben, die der Geist Gottes schenkt. Ich will euch darüber nicht in Unkenntnis lassen, liebe Brüder und Schwestern. Es gibt zwar verschiedene Gaben, aber es ist immer derselbe Geist. Es gibt verschiedene Aufgaben, aber es ist immer derselbe Herr. Es gibt verschiedene Kräfte, aber es ist immer derselbe Gott. Er bewirkt das alles in allen Menschen. Das Wirken des Geistes zeigt sich bei jedem auf eine andere Weise. Es geht aber immer um den Nutzen für alle. …
Das alles bewirkt ein und derselbe Geist. Er teilt jedem eine Fähigkeit zu, ganz so, wie er es will. Es ist wie beim menschlichen Körper: Er bildet eine Einheit und besteht doch aus vielen Körperteilen. Aber obwohl es viele Teile sind, ist es doch ein einziger Leib. So ist es auch mit Christus.
Denn als wir getauft wurden, sind wir durch den einen Geist alle Teil eines einzigen Leibes geworden – egal ob wir Juden oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen waren.
Und wir sind alle von dem einen Heiligen Geist erfüllt.
Predigt Teil 1 von Dejan Panjicanin
Liebe Gemeinde, wir sind heute hier, um über Inklusion zu sprechen – ein Wort, das vielleicht abstrakt klingt, aber im Herzen zutiefst menschlich ist. Denn es geht um nichts Geringeres als die Frage: Gehört jeder Mensch dazu?
Unsere Antwort als Christinnen und Christen kann nur lauten: Ja. Ohne Ausnahme.
Denn unser Glaube sagt: Jeder Mensch ist Gottes geliebtes Geschöpf – gewollt, wertvoll, wunderbar gemacht.
Der Psalm 139 bringt das auf den Punkt:
„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.“ (Vers 14)
Diese Worte gelten jedem Menschen – unabhängig von körperlichen, geistigen oder seelischen Voraussetzungen. Sie gelten nicht nur in Sonntagsreden – sie wollen gelebt werden. Und das geschieht ganz konkret und greifbar im Inklusionscafé Außergewöhnlich und im Lernatelier des Vereins 0816.
Dort begegnen sich Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe. Sie arbeiten gemeinsam, schaffen einen Ort der Offenheit, der Vielfalt – der echten Gemeinschaft. Und sie zeigen damit: Inklusion ist kein Projekt – es ist eine Haltung. Eine, die tief in der Botschaft Jesu verwurzelt ist.
Jesus selbst hat die Ausgegrenzten in den Mittelpunkt gestellt. Im Lukas-Evangelium sagt er:
„Wenn du ein Mahl machst, dann lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein.“ (Lukas 14,13) Er sagt: Niemand darf draußen bleiben. Und er lebt es – radikal, liebevoll, herausfordernd.
Diese Haltung lebt auch eine Frau, die ich heute hier vertreten darf und die ganz bewusst erwähnt und gewürdigt werden muss: Verena Augustin.
Als Gründerin des Vereins 0816 hat sie nicht nur eine Vision gehabt – sie hat sie mutig umgesetzt. Sie hat Räume geschaffen, wo andere vielleicht noch Hürden sahen. Sie hat Menschen gesehen, wo andere nur Defizite vermuteten.
Verena Augustin hat mit Herz, Beharrlichkeit und Glauben einen Ort geschaffen, an dem Inklusion nicht diskutiert, sondern gelebt wird. Und dafür möchte ich dir, liebe Verena, von Herzen danken.
Du hast gezeigt, wie Inklusion im Alltag aussehen kann – im Melange, im gemeinsamen Lachen, im Miteinander. Deine Arbeit ist gelebtes Evangelium.
Liebe Gemeinde, Paulus schreibt im 1. Korintherbrief:
„Gerade die schwächeren Glieder am Leib sind unentbehrlich.“ (1. Kor 12,22)
In Gottes Augen ist niemand „zu viel“ oder „zu wenig“. Wir gehören zusammen. Als Menschen. Als Kirche. Als Gesellschaft.
Und so wünsche ich uns allen, dass wir – angeregt durch das Café Außergewöhnlich, inspiriert durch Menschen wie Verena Augustin – mit offenen Augen und offenem Herzen aufeinander zugehen. Dass wir anfangen zu sehen, was wirklich zählt: die Würde jedes einzelnen Menschen.
Denn das ist Inklusion – und das ist Gottes Reich auf Erden.
Paulus schreibt im 1. Brief an die Korinther 12, 14-31 weiter:
Der menschliche Körper besteht ja nicht aus einem einzigen Teil, sondern aus vielen. Selbst wenn der Fuß sagt: »Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Körper.« Gehört er nicht trotzdem zum Körper?
Und wenn das Ohr sagt: »Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Körper.« Gehört es nicht trotzdem zum Körper?
Wenn der ganze Körper ein Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör?
Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruchssinn?
Nun hat Gott aber jedem einzelnen Körperteil seinen Platz am Körper zugewiesen, so wie er es wollte.
Wenn aber das Ganze nur ein Körperteil wäre, wie käme dann der Leib zustande?
Nun sind es zwar viele Teile, aber sie bilden einen Leib.
Deshalb kann das Auge nicht zur Hand sagen: »Ich brauche dich nicht.«
Oder der Kopf zu den Füßen: »Ich brauche euch nicht.«
Vielmehr sind gerade die Teile des Körpers, die schwächer zu sein scheinen, umso notwendiger.
Die Teile des Körpers, die wir für weniger ansehnlich halten, kleiden wir mit besonderer Sorgfalt.
GOTT hat dafür gesorgt, dass die unscheinbaren Körperteile besonders geehrt werden. Denn im Leib darf es keine Uneinigkeit geben, sondern alle Teile sollen füreinander sorgen. Wenn ein Teil leidet, leiden alle anderen Teile mit.
Und wenn ein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen Teile mit.
Ihr seid nun der Leib von Christus! Jeder Einzelne von euch ist ein Teil davon.
Und Gott hat jedem in der Gemeinde seine Aufgabe zugewiesen. – Niemand kann alles alleine machen – Jetzt will ich euch einen Weg zeigen, der weit über das alles hinausführt.
Predigt 2. Teil Harald Kluge
Liebe Gemeinde! Ich möchte anfangs eine Schlagzeile vom März 2025 vorlesen: „Google streicht historisch-kulturelle Ereignisse wie «Pride Month» oder «Black History Month» aus seinem Kalender und folgt somit Donald Trumps Vorgaben. Die Nutzer sind empört.“
Seit der Wahl von Donald Trump passen sich viele Firmen der neuen politischen Landschaft an. Und auch in Europa und in Österreich weht allem mit dem Label Diversität und Inklusion ein rauer Wind entgegen. Diversität ist out. Inklusion ist out. Zumindest wenn es nach der Meinung reaktionärer Ansichten geht.
Google entfernt alle «woke» Daten wie den Pride Month aus seinem Kalender.
Google surft damit aber nur auf einer Welle, jener von Gegenreaktionen gegen DEI. Die Abkürzung DEI heißt «Diversity, Equity and Inclusion»: Vielfalt, Gleichheit und Inklusion.
Der neue US-Präsident Donald Trump ist schon seit langem ein Gegner all der Vielfaltsinitiativen. Nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus verbot er gleich einmal DEI in allen Behörden per Dekret.
Bei uns möchte der Erste Nationalratspräsident nur das Gendern an sich im Parlamentsbetrieb vereinfachen, sprich abschaffen.
Viele der großen US-Firmen haben in den letzten Monaten ihre Diversitäts- und Inklusionsprogramme eingestellt.
Für Schlagzeilen sorgten unter anderem die Änderungen bei Meta, der Facebook-Mutter, bei Walmart und bei Amazon und Ford.
Doch zahlreiche weitere Firmen stampfen ihre Diversitätsprogramme im Stillen ein. Und dabei geht es auch um Anstellung von Menschen mit Behinderungen, um Gleichstellungsprogramme, Frauenquoten.
Disney, Google, GM, Pepsi, Intel, PayPal und Philip Morris haben über Nacht begonnen der Vielfalt und Dieversität GOODNIGHT und GOODBYE zu sagen. Auch in Österreich nehmen Konzerne mit starker US-Präsenz diese Änderungen vor.
Neben symbolischen Maßnahmen ändern viele Firmen ihre Einstellungspolitik. So löscht Intel das bisherige Ziel von 25 Prozent Frauen in Führungspositionen.
Ziele von Inklusion, wie etwa der Anreiz zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen als ein Weg zu mehr Gemeinschaft, oder Queer-Programme werden hinterfragt und eingestellt.
Einen Monat nach seinem Amtsantritt hat Donald Trump einen großen unbemerkten Angriff auf Menschen mit Behinderungen entfesselt.
Die Programme zur Förderung von Sonderpädagogik bis zur starken Kürzung von „Medicaid“, die für Menschen mit Behinderungen im ganzen Land eine Lebensader sind. Es sind katastrophale Folgen für Millionen von Amerikanern zu erwarten, so Expertinnen für Behindertenrechte in den USA.
Dabei sind gerade Inklusion und Diversität sowie Gleichheit vor Gott fundamentale Merkmale christlicher Gemeinschaften.
Am Anfang der Menschheitsgeschichte in der Bibel bei 1. Mose 1, 26f. heißt es:
“Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.”
Gott gestaltet das Menschlein und gestaltet diesen Menschen dann als Mann und Frau. Gott segnet sie und beauftragt uns damit, gut aufeinander und auf die Erde achtzugeben.
Gott geht es eindeutig nicht darum, ein perfektes Abbild von sich selbst zu machen. Die Gottebenbildlichkeit zeigt sich gerade in der Verschiedenheit der Menschen. Alle Menschen haben die eine oder andere besondere Gabe, aber auch Schwäche. All das hat seine Berechtigung und muss so sein.
Dennoch leben Menschen mit Krankheiten und mit Behinderungen und jene, die sonst von der Norm abweichen, viele Jahrtausende in vielen Gebieten der Erde leider am Rande der Gesellschaft.
Wie die Armen, Witwen und Waisen, Verletzten, waren Menschen mit Behinderung auf die Unterstützung der Familien und der Gesellschaft angewiesen. Lange Zeit nimmt man menschliche „Defizite“ als „Fehler” wahr.
In den alttestamentlichen Vorschriften für Priester heißt es beispielsweise:
“Wenn einer … einen Fehler hat, der soll nicht herzutreten, um … zu opfern.”
Zu solchen “Fehlern” zählt man damals:
Blindheit und Lähmungen, ein entstelltes Gesicht, “ein weißer Fleck im Auge, … Krätze oder Flechten oder beschädigte Genitalien”;
aber es genügt auch schon ein kaputter Fuß, “eine gebrochene Hand” oder ein Buckel.
Für uns heute grausam heißt es: “Lasst keinen Blinden und Lahmen in euer Haus.”
Zugleich gibt es auch damals im Judentum schon rechtliche Regelungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung: „Verflucht sei, wer einen Blinden irreführt auf dem Weg!”, heißt es da zum Beispiel.
“Du sollst dem Tauben nicht fluchen und sollst vor den Blinden kein Hindernis legen, denn du sollst dich vor deinem Gott fürchten.”
Wir dürfen anderen aus Ehrfurcht vor Gott niemals respektlos entgegentreten, nicht beleidigen, nicht mobben, nicht stänkern. Ein wichtiger Schritt zu einem selbstverständlichen mitmenschlichen Miteinander.
“Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.”
Dass es nicht immer der Größte und Schönste sein muss, der für eine bestimmte Aufgabe am geeignetsten ist, erklärte Gott bereits dem Propheten Samuel. Gott schickte Samuel einst los, um einen König zu suchen und zu ernennen.
Dabei soll Samuel nicht auf die Äußerlichkeiten, die den Menschen so wichtig sind, schauen.
“Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.”
Hiob im Alten Testament ist ein vom Schicksal, dem Teufel und Gott, gebeutelter Mann, der alles im Leben verliert und sich fragt: „Warum?“
Hiob sagt von sich selbst in der Rückschau auf sein Leben, dass er einem ganz bestimmten Auftrag gefolgt war:
„Ich war des Stummen Stimme und des Blinden Auge.“
Für Jesus scheint das später, was heute unter dem Begriff Inklusion zusammengefasst wird, eine selbstverständliche Lebenshaltung zu sein.
Unter seinen Jüngern finden wir ehemalige den Römern nahestehende Zöllner wie Matthäus.
Dazu gesellt sich ein Simon, der sich als fanatischer Rebell, als Zelot, für die Befreiung von der römischen Herrschaft einsetzte. Echte Diversität wurde hier gelebt.
Auch auf die Anliegen ausländischer oder als „Sünderinnen und Sünder“ ausgegrenzter Menschen geht Jesus immer wieder ein. Er ist sogar mit ihnen zusammen.
Und er will allen einschärfen, dass anders als viele seiner Zeitgenossen behaupten, Krankheiten oder Behinderungen niemals durch das Fehlverhalten der Betroffenen oder ihrer Vorfahren verursacht werden.
Hier gibt es nach christlicher Sicht keinerlei Zusammenhang oder Ursache. Als seine Jünger ihn fragten, ob die Eltern eines Blindgeborenen an dessen Blindheit schuld seien, antwortete Jesus:
“Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.”
Jesus begegnet Menschen, die krank sind, behindert werden, immer mit viel Respekt und ganz ohne mitleidiges Gehabe. Den Wert, den die Verschiedenartigkeit der Menschen für jede Gemeinschaft darstellt, beschreibt Paulus im Brief an die Korinther in einem eindrücklichen Bild.
Wie ein Körper, der aus vielen Körperteilen besteht, so soll es auch in der christlichen Gemeinschaft sein.
“Wenn aber der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte er deshalb nicht Glied des Leibes sein? … Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? … Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht.”
So wie der Körper all seine Teile zum Funktionieren braucht, so braucht die Gemeinschaft auch alle Mitglieder. Und manchmal sind es gerade die Unbeachteten und Unauffälligen, die zum Gelingen am meisten beitragen, beschreibt Paulus. Wer erkennt, dass es in einer Gesellschaft auf jeden Einzelnen ankommt, der kann auch Paulus‘ bedenkenswertes Fazit nachvollziehen:
“Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.”