mit Pfr. Harald Kluge Youtube
GOTT und der Heilige Geist tun es. Jesus tut es, die Tiere tun es, ja selbst die gesamte Schöpfung tut es. Wir alle, ihr und ich tun es unentwegt, zwölfmal in der Stunde im Schnitt. Wir können gar nicht anders. Wir müssen es einfach tun. Seufzen. Und erst vor 20 Jahren hat man mit Forschungen dieses Phänomen untersucht und festgestellt: Seufzen ist gesund!
Was wird in der Bibel nicht gestöhnt und geächzt und geseufzt. An etlichen Stellen finden wir dieses urmenschliche tiefe Einatmen und stoßartige Ausatmen, das Seufzen.
Ob als einen Stoßseufzer des Hiob gen Himmel, oder als erleichtertes Seufzen, nach vollbrachten Taten, immer wieder wird es betont, hervorgehoben und sehr oft können wir es uns dazu denken.
Wie in der Lesung von Markus, in der Jesus zuerst die Pharisäer anseufzt, weil sie ihm gehörig auf den Wecker gehen. „Gib uns ein Zeichen! Zeig uns ein Wunder! Na los, mach schon!“, fordern die Pharisäer Jesus heraus. Sie sehen sich als die geistliche Elite, wenn man so will, und sind doch eher geistige Nackerpatzerln. Aber auch seine lieben Jünger bringen Jesus immer wieder zum Seufzen.
»Begreift ihr denn immer noch nichts?«
Bei 5.000 Menschen waren es 5 Brote u Beginn und es sind 12 volle Körbe mit Essen übriggeblieben. Bei den 4.000 waren es sieben Brote und am Ende noch sieben volle Körbe.
Na, ist der Groschen gefallen? Wir haben doch Augen – sehen wir denn nichts? Und wir haben doch Ohren – hören wir denn nichts?
Warum wir uns so schwer mit dem Glauben tun und keinen Deut besser als die Jüngerschar damals sind, beschreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Christinnen und Christen in Rom.
Römer 8, 22-27
„Wir wissen ja:
Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute.
Und nicht nur sie: Uns geht es genauso!
Wir haben zwar schon als Vorschuss den Geist Gottes empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern.
Denn wir warten ebenso darauf, dass Gott uns endgültig als seine Kinder annimmt.
Dabei wird er auch unseren Leib von der Vergänglichkeit erlösen.
Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr.
Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht?
Wir aber hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten.
In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei, wo wir selbst unfähig sind. Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.
Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.
Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht. Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein.“
LIEBE GEMEINDE!
„Der Geist Gottes tritt für die Eiligen ein!“ Die Geschwinden und Flotten … So hab ich mich zum ersten Mal an dieser Stelle verlesen. Und obwohl ich mich geirrt hab, bringt es das doch gerade zur heutigen Zeit schön auf den Punkt. Immer schnell noch dies und das, schnell wischen, schnell bestellen, schnell zugreifen, schnell den besten Rabatt sammeln. Den Schnellen und Schönen gehört doch diese Welt oder etwa nicht?
Wer nicht gestresst rüberkommt, könnte zu wenig zu tun haben. Dabei liegt doch sprichwörtlich in der Ruhe alle Kraft.
Und wenn sie es eilig haben, so lehrt uns ein ZEN-buddhistischer Spruch: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam! Wenn du es noch eiliger hast, mache einen Umweg!“
Ein großer deutscher Dichter Johann Wolfgang von Goethe schrieb gleichlautend: „Gehen ist die Geschwindigkeit der Seele.“
Und vor 2.000 Jahren hielt der römische Kaiser Augustus etwa zur Zeit von Jesu Geburt fest: „Festina lente!“ „Eile mit Weile!“
Ein Anzeichen für einen gestressten Menschen kennen wir jedenfalls alle: Das Seufzen.
Und ich trau mich manchmal schon gar nicht mehr daheim zu seufzen, weil es immer die Frage nach sich zieht: „Na, warum seufzt du denn?“
Diese tiefere bewusstere Atmung setzt ganz natürlich und selbstverständlich den Stressabbau in Gang. Ob wir Menschen ganz ohne Seufzer auskommen, daran forscht noch die Wissenschaft. Aber wollen wir das überhaupt? Wer seufzt und wahrgenommen wird, rückt in den Mittelpunkt meines Interesses.
„A kiss ist just a kiss; a sigh is just a sigh!“, heißt es so schön in dem Lied As tim egoes by von Herman Hupfield, ein bekannter Song aus dem Film Casablanca. Aber der Kuss und der Seufzer haben tiefere Bedeutungen.
Dabei weitert dieses Seufzen doch nur mein Lungenvolumen, es drückt die Luft auch in die letzten Winkel meiner Lungenflügel. Da gehen diese Lungenflügel richtig auf – Ein und Aus. Der norwegische Psychologe Karl Halvor Teigen an der ETH Zürich hat vor 20 Jahren herausgefunden, dass es der Lunge und der Seele enorm gut tut zu seufzen. Die Lunge wird elastischer, die Struktur der Lungenbläschen wird reformiert, wieder hergestellt.
„Is a Sigh Merely a Sigh?“ „Ist ein Seufzen bloß nur ein Seufzen?“, lautet seine Schrift mit der er auch den IG-Satirenobelpreis gewonnen hat. Karl Halvor Teigen meinte: „Seufzen ist der Stuhlgang der Seele.“
Diese tiefere bewusstere Atmung beim Seufzen jedenfalls setzt ganz natürlich und selbstverständlich den Stressabbau in Gang und wirkt seelisch positiv.
Ob wir Menschen ganz ohne Seufzer auskommen, daran forscht noch die Wissenschaft.
Aber wollen wir das überhaupt? Wer seufzt, wird meist wahrgenommen, rückt in den Mittelpunkt des Interesses. Ein Kuss und ein Seufzer haben tiefere Bedeutungen.
Und jetzt sehe ich das Seufzen von Jesus und von GOTT und dem Heiligen Geist und der gesamten Schöpfung mit neuen Augen.
Wenn Jesus bei den Pharisäern seufzt, zeigt das nicht, dass er herablassend sein will, oder keine Lust auf eine gute Diskussion hat. Jesus seufzt wohl, weil sie es einfach nicht verstehen können oder wollen.
Wenn ich seufze kann ich unglücklich sein, dass mir die Arbeit und die Sorgen zu viel werden.
Ich kann aber auch genervt sein oder müde und gestresst.
Genauso seufze ich, wenn ich glücklich bin, zufrieden und entspannt. Wenn ich heimkomme nach einem Spaziergang, vielleicht durch den Regen und etwas hinter mich gebracht habe, da kommt so ein Seufzen aus der inneren Ruhe heraus. Durch das Seufzen schalte ich einen Gang runter, oder zwei oder schalte den Motor gleich mal aus und lege die Füße hoch.
Wenn du gestresst bist, gehe langsam, atme langsam und tief ein und aus.
„Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute. Und nicht nur sie: Uns geht es genauso!“
Die Schöpfung seufzt und ächzt und stöhnt, weil wir nicht gut auf sie Acht gegeben haben. Und der Schmerz zeigt sich auch in den Schmerzen der Tiere, die ihren Lebensraum und ihr Leben verlieren. Es knirscht heftig im Gebälk der Schöpfung, wenn die Wälder zerstört, ausgebeutet und vernichtet werden, wenn die Bodenversiegelung überhandnimmt und immer rasanter geschieht.
„Wir haben zwar schon als Vorschuss den Geist Gottes empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern.“
Eigentlich wüssten wir, was zu tun wäre und wir sind auf einem guten Weg. Also Sie und ich privat, denke ich einmal. Auch die Kirche mit ihren Umweltprogrammen. So haben wir in der Reformierten Kirche, den neuen Gemeinden eine 100%ige Abdeckung mit Ökostromlieferanten erreicht. Aber trotzdem stöhnen und seufzen wir in unserem Inneren, weil es Querschüsse gibt. Klimaziele geraten aus dem Fokus, werden lächerlich gemacht, als unnötig abqualifiziert.
Paulus verwendet hier das Bild: Wir haben einen Vorschuss erhalten. Gott hat uns den Geist gegeben, damit sollte uns klar sein, was zu tun und was zu lassen sein sollte. Und das ist es eigentlich auch aber andere Zielvorstellungen gerade bei einflussreichen Entscheidungsträger:innen wirken da doch eher geistlos. Haben wir uns vom Geist losgesagt, vertrauen wir noch darauf?
Und wenn wir zusammenkommen und uns in Gemeinden und Kirchen und Religionsgemeinschaften darüber immer wieder neu vergewissern, was wir glauben und was Menschen vor uns geglaubt haben, zeigt das nur eines: Wir warten darauf, dass wir endlich dieses Gefühl bekommen: Gott nimmt uns als seine Kinder an.
Wir wollen geliebt sein, von unseren Eltern – also meisten – von unseren Mitmenschen, oder zumindest wollen wir nicht verachtet oder vollkommen ignoriert werden.
Das Spannende an der Reformation vor 500 Jahren (+/-) war auch diese Klarheit mit der ein Martin Luther, en Ulrich Zwingli und ein Johannes Calvin und ein Heinrich Bullinger in der Bibel herausgehoben haben: Wir sind bereits gerettet!
Es braucht keine Rosenkranzgebete, keine Wallfahrten, keine Pilgerreisen nach Rom oder ins Heilige Land, keine Heiligenverehrung und keine Leistungen in Sachen des Glaubens und der Religion.
Weil es gilt: Wir sind bereits gerettet!
Und die Hoffnung, dass unser schwächlicher Leib einmal erlöst sein wird, wir auf diesen nicht letztlich angewiesen sind, erzeugt bei mir zumindest eine Hoffnung.
„Wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr.
Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht?
Wir aber hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten.“
Alles ist erst noch Hoffnung. Hoffnung ist nicht alles. Aber ohne Hoffnung ist alles nichts. Und wir können, wie die Reformatoren und die Theologinnen vor und nach ihnen, nicht vollkommen verstehen, was das alles bedeutet.
Wenn Simon Petrus und Johannes und Jakobus und Thomas und alle anderen Jünger nicht begriffen haben, was es mit den Broten und den Körben auf sich hatte, wie sollen wir dahinter steigen?
„In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei, wo wir selbst unfähig sind.
Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.“
Religion ist eine diffizile Angelegenheit, eine private und persönliche wie auch eine sehr subjektive. Wir haben alle unsere eigenen ganz speziellen Geschichten, wenn es um unseren Glauben geht. Und Gott weiß, was in unseren Herzen vor sich geht, auch wenn wir es selbst manchmal nicht so recht wissen.
GOTTES Geist seufzt und fleht und bemüht sich um uns, strengt sich da wirklich an, und will niemanden verlorengeben.
„Der Geist tritt vor Gott für die Heiligen, die Gemeinschaft der Heiligen ein.“ Und diese Gemeinschaft der Heiligen können wir uns vorstellen als die Gemeinschaft, in der „jede und jeder einzelne sich in der Pflicht weiß, seine Gaben zum Nutzen und Heil der anderen Glieder bereitwillig und mit Freude einzusetzen.“, wie es im Heidelberger Katechismus heißt.
Wir sind gerettet durch das Leben und Sterben und die Auferstehung von Jesus Christus. Was das meint können wir immer neu entdecken, mitten im Alltag, mitten in dieser chaotischen Welt.
Und das Seufzen und Stöhnen kann uns hier eigentlich ganz gut die Richtung geben.
Passend hat der Komponist und Dichter Peter Cornelius (1824-1874) folgendes Gedicht über den Stoßseufzer geschrieben.
Stoßseufzer
Stunden gehen, immer Stunden,
Wer hat doch die Qual erfunden?
An den Stuhl wie angebunden
Sitzt man,
bis der Tag entschwunden.
In den Stunden, in den Stunden
Wird geplagt man und geschunden,
Und die einzigen, die uns munden,
Sind halt doch die Schäferstunden!
Peter Cornelius Komponist, 1824-1874
Den Seinen gibt´s der Herr wohl doch im Schlaf.
Und wer heute am Reformationstag sich mit GOTT auseinandersetzen will, soll aus GOTT keinen armen alten Mann mit weißem Rauschebart oder Haarausfall machen. GOTT ist nicht nur zum Anhimmeln da sondern auch, wie es ein Hiob und ein Jesaja tun, zum Anklagen und zum Sich Auseinandersetzen.
Der Dichter HEINRICH HEINE schrieb 1835 gegen das Abziehbild eines lieblichen unnützen unbeholfenen GOTTES an. In seinem Gedicht Stoßseufzer lesen wir:
Unbequemer neuer Glauben!
Wenn sie uns den Herrgott rauben,
Hat das Fluchen auch ein End’ –
Himmel-Herrgott-Sakrament!
*Wir entbehren leicht das Beten,
Doch das Fluchen ist vonnöten,
Wenn man gegen Feinde rennt –
Himmel-Herrgott-Sakrament!
Nicht zum Lieben, nein, zum Hassen
Sollt ihr uns den Herrgott lassen,
Weil man sonst nicht fluchen könnt –
Himmel-Herrgott-Sakrament!
GOTT, du kennst unsere Sehnsucht, du hörst unser Seufzen, wir sind dir wichtig, lautet es im Psalm 38 sinngemäß.
Du bist kein Herrgott und kein Fraugott und kein OhGott-OhGott. Und eines Tages werden wir dich sehen von Angesicht zu Angesicht und verstehen, warum Jesus geseufzt hat, weshalb dein Geist immer wieder seufzt und weshalb die Schöpfung seufzt.