Harald Kluge

“blendend … nicht verblendet”

2. Korinther 4, 1-13

Audiogottesdienst unter https://studio.youtube.com/video/bLy9Zhzo6yk/edit

1 Weil Gott uns in seiner Barmherzigkeit die herrliche Aufgabe übertragen hat, seine Botschaft zu verkünden, verlieren wir nicht den Mut. 2 Wir halten uns fern von allen Heimlichkeiten, für die wir uns schämen müssten, wir täuschen niemanden und verdrehen auch nicht Gottes Botschaft. Im Gegenteil, wir sind Gott verantwortlich und verkünden frei und unverfälscht seine Wahrheit.

Das ist unsere Selbstempfehlung! Jeder, der auf sein Gewissen hört, wird mir recht geben. Die rettende Botschaft, die wir bekannt machen, bleibt nur für die dunkel und verhüllt, die verloren gehen. Sie hat der Satan, der Herrscher dieser Welt, so verblendet, dass sie nicht glauben. Deshalb sehen sie auch das helle Licht dieser Botschaft nicht, die von Christus und seiner Herrlichkeit spricht. Und doch erkennen wir Gott selbst nur durch Christus, weil dieser Gottes Ebenbild ist.

Nicht wir sind der Mittelpunkt unserer Predigt, sondern Christus, der Herr! Wir sind nur eure Diener, aus Liebe zu Jesus.

Denn so wie Gott einmal befahl: »Licht soll aus der Dunkelheit hervorbrechen!«, so hat sein Licht auch unsere Herzen erhellt. Jetzt erkennen wir klar, dass uns in Jesus Christus Gottes Herrlichkeit entgegenstrahlt.

Diesen kostbaren Schatz tragen wir in uns, obwohl wir nur zerbrechliche Gefäße sind. So wird jeder erkennen, dass die außerordentliche Kraft, die in uns wirkt, von Gott kommt und nicht von uns selbst. Die Schwierigkeiten bedrängen uns von allen Seiten, und doch werden wir nicht von ihnen überwältigt.

Wir sind oft ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Von Menschen werden wir verfolgt, aber bei Gott finden wir Zuflucht. Wir werden zu Boden geschlagen, aber wir kommen dabei nicht um. Tagtäglich erfahren wir am eigenen Leib etwas vom Sterben, das Jesus durchlitten hat. So wird an uns auch etwas vom Leben des auferstandenen Jesus sichtbar.

Weil wir zu Jesus gehören, sind wir unser Leben lang ständig dem Tod ausgeliefert; aber an unserem sterblichen Leib wird auch immer wieder sein Leben sichtbar.

Uns bringt der Dienst für Jesus andauernd in Todesgefahr, euch dagegen hat er neues Leben gebracht. Wir haben Gottes Geist, der uns auf Gott vertrauen lässt.

Es ist derselbe Geist, der auch den Beter in der Heiligen Schrift erfüllte, als er sagte: »Ich vertraute auf Gott, deshalb redete ich!« Weil wir also an Jesus Christus glauben, müssen wir von ihm reden. Wir wissen: Gott, der den Herrn Jesus vom Tod auferweckt hat, wird uns genau wie ihn auferwecken. Dann werden wir mit euch gemeinsam vor Gott stehen.

2 Korinther 4, 1-13

Liebe Gemeinde!

Wie halten Sie es persönlich mit zivilcouragiertem Handeln? Haben Sie schon einmal in einer brenzligen Situation eingegriffen und jemanden vor einer Gefahr gerettet? Eine Konfirmandin hat uns in der letzten Konfirunde erzählt, dass sie in den Weihnachtsferien auf dem U-Bahn Bahnsteig plötzlich einen Mann wahrgenommen hat, der immer näher zu ihr aufgerückt ist. Er hat sie dumm angesprochen und mit seinen Fingern angefangen an ihr herumzufummeln. Viele Leute haben es gesehen, niemand hat sonst reagiert. Schließlich hat der scheußliche Kerl von ihr abgelassen und sich ein neues Opfer gesucht. Wenn Sie bemerken, dass es Zeit zum Einschreiten ist, tun Sie es dann auch beherzt und mutig, eben ganz im Sinne von Courage? Vielleicht hätte es geholfen, wenn das Mädchen laut zu den Umherstehenden gesprochen und gerufen hätte: „Hilfe, ich werde hier belästigt.“

Vorigen Samstag hatten wir mit Erik, einem ausgebildeten Trainer des Mauthausenkomitees, einen Zivilcourage-Workshop zu genau diesem Thema. Was mich zum Handeln bringt und was mich daran hindert, zu handeln und dazwischenzugehen.

Gott hat uns, gemäß dem Apostel Paulus, eine herrliche Aufgabe übertragen. Gottes Botschaft zu verbreiten meint auch Gottes Geboten gemäß zu handeln. Und wie im Doppelgebot der Liebe alles zusammengefasst es so einfach lautet: Wir sollen unsere Mitmenschen lieben – und das heißt, Stellung beziehen, wenn sie in Gefahr sind, bedroht, beschimpft oder beleidigt oder sogar angegriffen werden. Wir sollen den Mut nicht verlieren, vielmehr den Mut aufbringen, mutiger werden, couragierter.

Klar ist es beschämend, wenn ich einmal nicht eingreife. Wer aber hat dieses Gefühl im Nachhinein, hätte ich vielleicht etwas tun sollen, zumindest die Polizei rufen, laut rufen, dass es nicht okay ist, dass halbstarke Jugendliche andere Jugendliche in der Karlsplatzpassage einschüchtern, bedrohen und ihnen Geld und Handys abnehmen wollen.  Dabei sind viele Menschen unterwegs gewesen, am Weg zur Arbeit, von der Arbeit, einkaufen, flanieren, als Touristen auf Tour durchs schöne Wien. Und trotzdem kann der Raub mitten am helllichten Tag geschehen. Niemand handelt, alle meinen wohl, es wird schon jemand was tun, besser nicht einmischen, vielleicht geht’s ja um Drogen … Verlieren wir nicht den Mut, machen wir Fotos, filmen wir, rufen wir die Polizei zu Hilfe, fordern wir Menschen rundum zur Unterstützung auf. Denn was bleibt mir anderes, wenn ich nichts tue, übrig als mich zu schämen. Und Paulus ist da sehr klar in seiner Sprache: Verdrehen wir nicht Gottes Botschaft, täuschen wir niemanden, suchen wir nicht nach Ausreden – ein Mensch in Not ist ein Mensch in Not, egal ob selbst verschuldet, ob es in einer kritischen Situation sein sollte. Das ganze Leben lang leben wir gefährlich. Und gefährlicher wird’s für uns alle, wenn keiner mehr auf den anderen achtet und schaut.

Wir sind Gott verantwortlich, bei allem, was wir tun. Und die Wahrheit ist, dass wir unserem Gewissen folgen sollen, mehr folgen sollten. Oft höre ich heute: Die Grünen und die Ökos und alle, die andauernd von Klimawandel, Klimakrise, Klimagerechtigkeit reden, wollen uns nur ein schlechtes Gewissen einreden. Da soll ich ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn ich mit dem Flugzeug auf die Seychellen fliege, wenn ich nicht auf öko, fair, bio beim Einkauf schaue. Die Klimakleber*innen wollen mir ein schlechtes Gewissen machen, wenn ich mit dem Auto fahre, wenn ich mit mehr als 100 km/h auf der Autobahn dahindüse. Aber seien wir ehrlich zu uns selbst: Niemand redet uns ein schlechtes Gewissen ein. Keiner hat über mein Gewissen soviel Macht, dass ich mich da manipulieren ließe. Das schlechte Gewissen ist immer mein eigenes. Mein schlechtes Gewissen ist ein schlechtes Ruhekissen. Weil mein Gewissen nun einmal so reagiert, wie es soll. Ich denke mir und hoffe, bei den meisten von uns.

„Jeder, der auf sein Gewissen hört, wird mir recht geben.“

Das Gewissen ist schon eine ganz gute Guideline für meine Lebensführung, für Aktionen, die ich setze, wenn ich – und da kommen wir zurück zum Anfang – Zivilcourage zeige, beweise. Aber ist es das Ganze wert? Haben diese Welt und diese Gesellschaft mein Engagement und mein Gewissen überhaupt verdient? Regiert nicht Geld die Welt? Macht und Einfluss liegen in den Händen derer, die aufs Gewissen pfeifen, die Kompromisse eingehen, um an die Schalthebel der Macht zu kommen oder sie zu behalten. Vieles geschieht im Dunkeln und bleibt für uns Normalsterbliche wohl immer verhüllt. Da lüftet sich kein Vorhang und wird uns zeigen, wie das mit dubiosen Finanztransaktionen, mit Pleiten, Pech und Insolvenzen gelaufen ist.

Paulus benutzt hier das kräftige Bild vom Satan, dem Teufel, den diabolischen Mächten. Der Satan als Gestalt der Bibel ist ein Anwalt, nicht der Schwachen, Kranken, Geschundenen und Gebeutelten, sondern der Anwalt der mächtigsten Verführer, der Augenauswischer, Blender, Betrüger und Großkotzigen. Satan ist ein Widersacher, kein ebenbürtiger aber doch ein Widersacher Gottes, ein Widerling, ein Einflüsterer. Er bringt Gott etwa dazu, einen älteren Mann namens Hiob ins Unglück zu stürzen, nur um ein böses Spiel mit ihm zu treiben. Der Satan spielt sich auf als Herrscher dieser Welt, schreibt Paulus. Und er tut dies mit viel Blendwerk. Er ist ein Verführer von Menschen par excellence. Wenn die Menschen zur Zeit Jesu die wahre Gestalt des Gottessohnes sehen, sind sie geblendet. Wenn Männer und Frauen in Gottes Nähe gelangen, sind sie wie geblendet. Schönheit, Erhabenheit, Herrlichkeit erfüllen uns die Augen und blenden.

Wen Gott blendet, so wie Saulus als Verfolger der Christengemeinden vom strahlenden Licht das Augenlicht verloren hat, der erwacht eines Tages mit einer neuen Sicht auf die Welt und alles, was sie zusammenhält. Jesus hat keine Steine in Brot verwandelt, so wie ihn Satan aufgefordert hat. Jesus hat sich nicht von Engeln auffangen und herumfliegen lassen wollen. Und Jesus widerstand auch dem Angebot des Satans, die Weltherrschaft zu übernehmen. Ach, wie toll wäre das geworden, wenn Jesus als Herrscher ein für allemal die Zügel dieser Welt in die Hand genommen hätte. Mit keiner dieser Machtdemonstrationen hat sich der Sohn Gottes verführen lassen. Das ist alles Blendwerk, da wären die Leute auf alle Zeiten hinaus verblendet gewesen. Das helle Licht der Botschaft lautet eben nicht, allein von Christus und seiner Herrlichkeit zu sprechen und wie eine Litanei von Gottes Barmherzigkeit und Gottes Gnade und Gottes Liebe zu reden. Wir erkennen Gott dadurch, dass wir als Gottes Ebenbilder auch so handeln, wie es uns das Gewissen aufträgt.

Nicht wir sind der Mittelpunkt des Universums. Einmal werden wir Menschen nicht mehr sein. Mittelpunkt ist Christus, der Herr! Wir sind nur treue Diener und Dienerinnen, meint Paulus, aus Liebe zu Jesus, nicht weil wir gezwungen würden. Das Besondere an der Religion der Christusnachfolge, gerade weil sie aus dem Judentum hervorgewachsen ist, ist die Verbundenheit mit dem Alltag und die Tauglichkeit für den gewöhnlichen Alltag.

Schwierigkeiten bedrängen uns von allen Seiten, und doch werden wir nicht von ihnen überwältigt. Schön wärs. Wie oft scheinen mir die Sorgen zu groß, die nötigen Aktionen zu scharf und schwierig durchzuführen, und wie oft bin ich mir unsicher, ob dies oder jenes besser wäre.

„Wir sind oft ratlos, aber wir verzweifeln nicht.“

Ratlos sein ist keine Schande. Verzweifeln ist keine Schande. Selbst als der Auferstandene, Jesus, den Jüngern auf dem Berg bei Galiläa erscheint und zu ihnen spricht, erfüllt die Jünger Zweifel. „Wir sind oft ratlos, aber wir wollen nicht verzweifeln.“ So könnten wir es klarer beschreiben. „Wir werden zu Boden geschlagen, aber wir kommen dabei nicht um. Tagtäglich erfahren wir am eigenen Leib etwas vom Sterben, das Jesus durchlitten hat. So wird an uns auch etwas vom Leben des auferstandenen Jesus sichtbar.“ Im Leben zeichnet sich vieles ab, warum nicht auch mein Glaube und meine Überzeugungen, die ich habe.

Warum sage ich das alles, rede und predige ich eigentlich darüber: »Ich vertraue auf Gott, deshalb rede ich!« Weil wir also an Jesus Christus glauben, müssen wir von ihm reden. Und auch wenn uns Gott blendet, Jesus und sein Leben und Tod und Auferstehung blendet. Gott verblendet uns nicht und vernebelt uns auch nicht den Verstand. AMEN