Harald Kluge:
„Die Befreiung ist kein leerer Traum!“
Psalm 126

Der ganze Gottesdienst auf Youtube: https://youtu.be/WfZ_0sOrUwc

1 Ein Lied, zu singen auf dem Weg nach Jerusalem. Als der HERR uns aus der Gefangenschaft heimbrachte, zurück zum Berg Zion, da kamen wir uns vor wie im Traum.
2 Wie konnten wir lachen und vor Freude jubeln! Bei den anderen Völkern sagte man damals: »Der HERR hat Großes für sie getan!«
3 Ja, der HERR hatte Großes für uns getan und wir waren glücklich.
4 HERR, wende auch jetzt unsere Not, bring Glück und Frieden zurück, so wie du das Wasser wieder zurückbringst und die ausgetrockneten Bäche plötzlich füllst!
5 Wer mit Tränen sät, wird mit Freuden ernten.
6 Weinend gehen sie hin und streuen die Saat aus, jubelnd kommen sie heim und tragen ihre Garben.

Psalm 126

Liebe Gemeinde!

Die fortwährende Freude und das Frohlocken, wie es der Prophet Jesaja schildert (Jesaja 35), wie kann ich mir das vorstellen? „Frohlocken und Freude holt sie ein, und es fliehen Kummer und Seufzen.“ Denn, so bebildert es Jesaja: „Die von Gott Freigekauften werden zurückkehren und zurückkehren mit Jubel.“ Und was war es für ein Jubelgeschrei, als die ersten Geiseln der Hamas wieder nach Hause kommen durften.

Der neunjährige Ohud lief seinen Eltern im Krankenhausgang entgegen. Die vierjährige Raz wollte ihre Eltern gar nicht erst wieder aus der Umarmung loslassen.

So muss sich Freude anfühlen, die Freude und der Jubel, von dem die Frauen und Männer immer wieder in der Bibel berichtet haben.

„Als der Herr sie aus der Gefangenschaft heimbrachte, ihr Schicksal zum Guten gewendet hatte, da kamen wir uns vor wie im Traum.“ So dichtet der Liedermacher in Psalm 126. Wir konnten wieder lachen und wir konnten wieder vor Freude jubeln.

Manchen ist eher zum Demonstrieren zumute. So wie gestern bei der Demo pro Palästina, fürs Leben, für Menschenleben im Gazastreifen, im Westjordanland. Nein, es dürfen keine Menschenleben aufgerechnet werden. Und ich versteige mich auch nicht in diese Diskussion. Nicht weil es zu heikel wäre, aber weil es mir als entferntem Beobachter nicht zusteht. Aus der Ferne, aus dem sicheren warmen punschgetränkten Wien kann ich nur versuchen zu verstehen.

Was müssen die Opfer der Gräuel erlebt haben? Ich kann es mir nicht vorstellen.

Was müssen die Angehörigen der Opfer durchstehen? Ich will es mir nicht vorstellen.

Was muss passieren, damit endlich Friede wird?

Das kommt mir vor wie ein großes Rätsel, ein Rubikzauberwürfel, den noch niemand hat lösen können. Die Bibel beschreibt aber diesen Moment, wenn Friede endlich wieder eintritt, weil viele Menschen, Männer, Frauen und Kinder für den Frieden und gegen den Krieg eingetreten sind, aufgestanden und aufgetreten sind. Weil sie den Hassparolen und Machtphantasien einiger weniger aber mächtiger Männer nicht mehr folgen wollen.

Wir sind nicht für immer und ewig in der Geiselhaft derer, die Terror verbreiten wollen.

Wir müssen uns nicht als Gefangene fühlen all jener, die andere Menschen verraten und verkaufen und mit Waffen und Drogen und Menschen teuflischen Handel treiben.

Fünfzig Tage lang – die Zeitspanne zwischen Ostern und Pfingsten – sieben Wochen lang hatte es gedauert, bis die ersten Geisel von der Hamas nach Hause geschickt worden sind.

Unter den 240 Geiseln, die am 7. Oktober aus Israel verschleppt worden sind, befinden sich noch immer viele in Gefangenschaft.

Es gab den Austausch und nichts war wohl so emotional wie das erste Wiedersehen nach den vielen Tagen der Geiselhaft.

Da war etwa die vierjährige Raz 50 Tage lang in den Händen von Terroristen in Gaza. Und nun sitzt das kleine Mädchen Raz wieder eng umschlungen mit ihrem Vater, ihrer Mutter und zweijährigen Schwester auf einem Sofa in ihrer vertrauten Wohnung.

Die vierjährige Raz sagt: „Ich habe geträumt, dass ich nach Hause komme”. Und ihr Vater Joni schluchzt: “Jetzt ist dein Traum wahr geworden.”

Wir waren Träumende, als Gott uns wieder nach Hause geführt hat. Wir sollen nie aufhören Träumende zu sein, zu träumen, dass selbst die in die Geiselhaft Verschleppten zurückkehren könnten. Für mehr als 1.200 Angegriffene und Getötete mag auch die Hoffnung gestorben sein, sie wieder lebendig umarmen, herzen und sehen zu können. Mütter, Großmütter, Tanten und Onkel, Töchter und Ehefrauen, Ehemänner, Partner und Söhne, Väter und Großväter, Onkel und Cousins wurden ermordet und werden täglich Opfer der Kriege, die Menschen – im Namen von wem auch immer – glauben führen zu müssen.

Es ist ein Wahnsinn, ein Alptraum, ein nie abreißender Strom von Leichen, Blut und Opfern.

Wir leben als Menschen auf dieser Erde ständig in Unsicherheit. Nichts und niemand ist sicher, schreiben auch die Zeitungen hier. Weihnachtsmärkte wären ideale Ziele für Terroristen. Aber wir brauchen keine Ängste zu haben. Gut, wir wissen nicht wirklich, wann uns nicht jemand wie dem 17-jährigen Jugendlichen gestern ein Messer mitten in Wien-Liesing in den Rücken rammt. Warum es mir in diesem Moment, in dem ich davon lese, den Atem verschlägt? Weil ich es mir leider allzu gut vorstellen kann aber nicht will.

Der Psalm 126 führt gerade in den tiefsten traurigen Situationen uns eines vor Augen: Selbst in Gefangenschaft können wir auf Befreiung hoffen. Und so hatten sie sich vor gut 2.000 Jahren auch vorgestellt, dass es zu einer Befreiung kommen wird, wenn sich Gott ganz und gar auf die Erde begibt.

Diese Sehnsucht finden viele und immer mehr Menschen in Jesus wieder und erfüllt, dem Messias, dem Retter, Befreier, Erlöser, dem Heiler und Prediger, dem wortgewaltigen aber auch einfühlsamsten Menschen auf Erden wollen sie folgen und folgen wir heute noch, jeden Advent aufs Neue feiern wir seine Geburt, seine Ankunft.

Und wir geben den Advent so wenig auf wie das Warten auf Gottes Fügung zum Guten und zum Besseren.

Es wird sein, als wären wir Träumende, wenn Gott uns befreit – wie die Geiseln, die Befreiung erleben, auf israelischer Seite und palästinensischer Seite. Da und dort finden Familien und Eheleute wieder zusammen. Söhne kehren zu ihren Eltern zurück. Töchter sehen ihre Väter und Mütter wieder, Geschwister ihre Brüder und Schwestern.

Das Leben als Geisel, egal zu welchen Zeiten und in welchen Regionen der Erde, ist vor allem durch eines geprägt: Unsicherheit. Sie haben so gut wie nichts mehr in der eigenen Hand. Wenn die Geiselnehmer befehlen: „Leg dich auf den Bauch!“ Dann bleibt als einzige Entscheidung, dreh ich mich ein wenig mehr nach rechts oder links?  Zu essen gibt es, was vorhanden ist, dann und wann auch mal nichts.

So hat es auch der neunjährige Ohud erzählt. Es gab Fladenbrot und wenig Reis, als die Geiselnehmer selbst kaum noch was hatten. Er wurde mit 8 Jahren entführt und seine Familie – jene die das Massaker überlebt hatten – feierte Ohuds neunten Geburtstag daheim, ohne den Sohn. Sie hielten an der Hoffnung fest, Ohud wiederzusehen. Ohud liebte es den Zauberwürfel zu lösen.

Und deshalb stellten seine Angehörigen 1.500 Zauberwürfel an seinem Geburtstag auf, die sein, Ohuds, Konterfei zeigten. Als Ohud von den Entführern entlassen worden war, umarmte er seine Eltern innig, aß ein Eis und löste seinen ersten Rubics Cube nach seiner Freilassung.

Die Schaffung von Frieden in den Konflikten dieser Erde und dieser Tage lässt sich wohl mit dem Lösen der schwierigsten Rubic Rätsel vergleichen. Und wie so ein Würfel braucht es vor allem eines, Scharfsinn, Ideenreichtum, Kreativität, Einfühlsamkeit und Geschick sowie eine gehörige Portion Geduld. Als einer der große Rätsellöser der Bibel wird Daniel genannt.

„Lasst ihn jetzt rufen! Sein Name ist Daniel, Nebukadnezar nannte ihn Beltschazar. Dieser Mann besitzt außergewöhnliche Weisheit und kann Träume deuten.

Er löst jedes Rätsel und wird mit den größten Schwierigkeiten fertig. Er soll dir die Schrift deuten.“ (Daniel 5,12)

Darum geht es, ums Verschriften, ums Festhalten von Regelungen und das Schließen von Abkommen und Dokumenten. Das mag nach wenig Greifbarem klingen, aber schauen wir uns doch nur eines der weitreichendsten Dokumente der Menschheitsgeschichte an, das heute 75 Jahre feiert.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war und ist ein außerordentliches Schriftstück, eine Absichtserklärung, noch mehr ein Ideal, dem wir als Menschen näherkommen wollen.

Es geht darin um nicht mehr und nicht weniger als um mehr Menschlichkeit, in diesem Dokument, das heute vor 75 Jahren von den Vereinten Nationen beschlossen wurde.

Denn diese Idee, allen Menschen die gleichen Rechte zuzugestehen, ist eine biblische, christliche, jüdische und humanistische, allgemein verständliche, nachvollziehbare und schöne Forderung.

Damals hat in der Generalversammlung eine Mehrheit von 48 Staaten der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zugestimmt. Es gab 8 Enthaltungen. Klar ist es ein Ideal, eine Utopie hin zu Gleichheit, Frieden, Gleichberechtigung und Freiheit aller Menschen. Und bis heute haben sich 147 Nationen diesem Ideal mit verschrieben.

Vom Erreichen dieser Ziele, uns allen Frieden, Freiheit und Würde zu sichern, ist diese Welt sicherlich noch weit entfernt. Aber wir sind wohl all den Zielen nähergekommen als wir vor 75 Jahren noch waren. Ich sage wir, weil jede und jeder von uns einen Beitrag dazu leisten kann.

Sokrates

„Alles was wir in Worte fassen können, können wir dann auch hinter uns lassen.“ Und wir können es genauso gut anpacken, darauf zusteuern. Wann dazu die Zeit gekommen ist? Das haben sie Jesus ebenso gefragt.

2 Johannes der Täufer saß zu der Zeit im Gefängnis und erfuhr dort von den Taten, die Jesus Christus vollbrachte. Er schickte seine Jünger zu Jesus und ließ ihn fragen: 3 »Bist du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?« 4 Jesus antwortete ihnen: »Geht zu Johannes zurück und erzählt ihm, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen, Gelähmte gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die rettende Botschaft verkündet.“

Matthäus 11

Den Gefangenen wird die Freiheit geschenkt.